Horizonte 7 – Teil A (Takimo 27)

Immanuel Kant und der Perspektivismus

Die Ausgangslage zu Kants Zeiten ist in etwa folgende:
– der Empirismus (F. Bacon, Hobbes, Locke, Hume), der einen Angriff auf den bisher vorherrschenden Rationalismus (Descartes, Spinoza, Leibniz, Wolff) startet
– eine immer erfolgreicher werdende Naturwissenschaft, die sich von ihren Wurzeln, der Philosophie, als unnötigem Ballast lossagt
– eine Metaphysik, die in endlose Streitigkeiten und Widersprüche verstrickt ist, eine Metaphysik, bei der im Vergleich zu Mathematik und Naturwissenschaft alles schwankend und unsicher ist. Der Versuch, unabhängig von aller Erfahrung Erkenntnisse zu gewinnen, stürzt die Vernunft immer wieder „in Dunkelheit und Widersprüche“ (Kant). Auf der einen Seite gibt es gute Gründe dafür, dass die Welt einen Anfang hat, dass es Gott gibt, der Wille frei und die Seele unsterblich ist. Dummerweise gibt es aber ebenso gute Gründe für die gegenteilige Behauptung. Die Frage, was denn nun richtig sei, kann mit den herkömmlichen Methoden der Philosophie nicht beantwortet werden.

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Immanuel Kant (* 22. April 1724 in Königsberg, Preußen; † 12. Februar 1804 ebenda) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung und zählt zu den bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie

Vor diesem Hintergrund will Kant die alte Schulmetaphysik abreißen, um auf ihren Trümmern ein neues philosophisches System zu errichten, die Transzendental-Philosophie, den kritischen Idealismus. Kant fragt danach, ob eine neue Metaphysik möglich ist, die einen ähnlich sicheren Gang wie Mathematik und Physik hat, zwei Wissenschaften auf welche die Philosophie immer schon ein wenig eifersüchtig war. Um diese Frage beantworten zu können, muss er zunächst die Philosophie grundlegend reformieren.

Kants kritischer Idealismus versucht sowohl dem Empirismus (nach seinen eigenen Worten hat Hume ihn schließlich aus dem „dogmatischen Schlummer“ geweckt) als auch dem Rationalismus gerecht zu werden. Dem Empirismus gesteht er zu, dass „alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt“, und mit dem Rationalismus stimmt er darin überein, dass „nicht alle Erkenntnis aus der Erfahrung kommt“, da das Bewusstsein auch aus einer innereigenen Quelle schöpft, die der Rationalismus als „eingeborene Ideen“ bezeichnet. Kant wird das eine „reine Erkenntnis a priori“ nennen, und in der Kritik der reinen Vernunft (2. Auflage; zukünftig abgekürzt mit KdrV) ist zu lesen:

„Unsere Erkenntnis entspringt aus zwei Grundquellen des Gemüts, deren die erste ist, die Vorstellungen zu empfangen (die Rezeptivität der Eindrücke), die zweite das Vermögen, durch diese Vorstellungen einen Gegenstand zu erkennen (Spontaneität der Begriffe); durch die erstere wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die zweite wird dieser im Verhältnis auf jene Vorstellung (als bloße Bestimmung des Gemüts) gedacht. Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unserer Erkenntnis aus, so daß weder Begriffe, ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe, ein Erkenntnis abgeben können. Beide sind entweder rein, oder empirisch. Empirisch, wenn Empfindung (die die wirkliche Gegenwart des Gegenstandes voraussetzt) darin enthalten ist: rein aber, wenn der Vorstellung keine Empfindung beigemischt ist. Man kann die letztere die Materie der sinnlichen Erkenntnis nennen. Daher enthält reine Anschauung lediglich die Form, unter welcher etwas angeschaut wird, und reiner Begriff allein die Form des Denkens eines Gegenstandes überhaupt. Nur allein reine Anschauungen oder Begriffe sind a priori möglich, empirische nur a posteriori.“ (KdrV)

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Die Kritik der reinen Vernunft ist das erkenntnistheoretische Hauptwerk von Immanuel Kant. Darin legt er den Grundriss seiner Transzendental-Philosophie dar. KdrV gilt als eines der einflussreichsten Werke der Philosophiegeschichte. Foto Wikimedia H.-P.Haack

Das Fundament der Transzendental-Philosophie bilden die zwar schon alten und bereits von Aristoteles eingeführten korrelaten Begriffe Materie und Form (Hylemorphismus: Materie und Form als alle Gegenstände konstituierende Seins-Prinzipien), sie werden jetzt aber als Reflexionsbegriffe neu gedeutet: Materie (Inhalt, Stoff) als das Bestimmbare, Bedingte und Form (Struktur) als die Bestimmung, Bedingung.

Kant ist sich mit dem Empirismus also darin einig, dass all unsere Erkenntnisurteile auf ein sinnlich Mannigfaltiges, eine Materie der Erkenntnis bezogen werden müssen. Mit dem Rationalismus orientiert er sich jedoch zugleich am Begriff der Form, einer „a priori“ (von aller Erfahrung unabhängig) gegebenen, universellen Bewusstseinsstruktur.
Wenn Kant sagt: „Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da zum Verstande, und endigt bei der Vernunft […]“ (KdrV), dann ist zu beachten, dass Kant, im Unterschied zu den Empiristen, neben der empirischen Anschauung (darin eine durch Empfindung empirische Materie gegeben ist) auch eine reine Anschauung kennt (darin eine reine Materie gegeben ist, z.B. geometrische Objekte).

Im Folgenden soll dieser Weg – von den Sinnen (sehen, hören …) bis zur Vernunft – in einigen Punkten nachgezeichnet werden. Vor allem soll gezeigt werden, dass transzendentales Philosophieren im Wesentlichen perspektivisches Philosophieren ist.

Leibniz gebührt der Verdienst, ebenfalls aufbauend auf dem aristotelischen (und platonischen) System, den Begriff der Perspektive für die Philosophie fruchtbar gemacht zu haben. Dieser war für Leibniz und seiner Monadologie von zentraler Bedeutung. Den vierzigjährigen Kant darf man noch einen Leibnizianer nennen. Dann jedoch löst sich Kant von ihm und geht mit seinem transzendentalphilosophischen Ansatz eigene Wege. Es darf daher nicht allzu sehr verwundern, dass Kants Transzendental-Philosophie hauptsächlich perspektivischer Natur ist, auch wenn dies nicht immer sofort ersichtlich ist, denn das Wort Perspektive kommt in der KdrV gar nicht vor. Kant spricht stattdessen lieber von Vorstellungs- und Erkenntnisart. Wie wichtig aber für ihn die Perspektive ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass er Kopernikus und sein Heliozentrisches Weltbild erwähnt, um zu erläutern, was es nun eigentlich so revolutionär Neues mit seiner Transzendental-Philosophie auf sich hat.

 

Kopernikanische Wende

Die Physiker, als Vertreter einer exakten und sehr erfolgreichen Naturwissenschaft, sagen:
„Unsere Erkenntnisse, unser Wissen über die Natur ist objektiv, da wir allgemeingültige und notwendige Gesetze formulieren, von deren Richtigkeit sich im Prinzip jeder selbst überzeugen kann. Sie sind von einem die Natur beobachtenden Ich unabhängig“.

Genau genommen müsste der letzte Satz aber heißen: „Sie (die Gesetze) sind für alle die Natur beobachtenden Ichs gleich“. Was sich wie eine unnötige Spitzfindigkeit anhören mag ist von entscheidender Bedeutung. Warum? Wer sich mit Physik beschäftigt weiß, dass dem Begriff der Symmetrie eine zentrale Rolle zukommt. So wie Physiker die einmal festgestellten objektiven Eigenschaften von Gegenständen in der Natur diesen selbst zuschreiben, so verfahren sie auch mit dem abstrakten Begriff der Symmetrie: „Es wäre eine objektive Eigenschaft der Natur selbst, symmetrisch zu sein; es würden bestimmte Symmetrien in der Natur existieren“.

Bei einem genaueren Blick auf die Physik wird aber schnell deutlich, dass diese doch nicht ganz so ich-frei und subjektunabhängig ist. Das Ich wird in der Physik durch den Nullpunkt eines Koordinatensystems dargestellt (Descartes’ Origo) und heißt dort Beobachter (Bezugssystem).
Durch mathematische Transformationen wird nun das Koordinatensystem eines physikalischen Systems verschoben, gedreht … d.h. allen möglichen Transformationen unterworfen. Dann wird gefragt: Was ändert sich durch diese Transformationen und was nicht. Das, was sich im physikalischen System nicht ändert, wird symmetrisch bzw. invariant genannt. Salopp gesagt: Symmetrie ist, wenn eine Transformation durchgeführt wird und es passiert nichts. Man kann nicht sagen, dass etwas per se symmetrisch ist. Es sind vielmehr die Transformationen des Koordinatensystems, d.h. (in der Sprache der Projektiven Geometrie) die möglichen Perspektiven eines Beobachters, die zuerst einmal bestimmen, was Symmetrie überhaupt ist. Erst in einem zweiten Schritt kann dann entschieden werden, ob dieser relative (hängt ja von den Transformationen ab) Begriff (symmetrisch zu sein) einem Gegenstand (oder auch physikalischen Gesetz) als eine objektive Eigenschaft zugesprochen werden kann oder auch nicht.
Zusammengefasst: Symmetrien sind Invarianten von Transformationen und gehören vielmehr dem Beobachter zu als dem Gegenstand der Betrachtung. Es sind die Perspektiven eines Subjektes, die darüber entscheiden, ob es sinnvoll ist, von bestimmten objektiven Eigenschaften eines Gegenstandes zu sprechen oder auch nicht.

Das aber ist genau die Kernaussage Kants: Der tiefere Grund, dass wir einer Erkenntnis Objektivität zusprechen, liegt nicht in den Gegenständen selbst, sondern im Bewusstsein des erkennenden Ichs, genauer gesagt in der transzendentalen Apperzeption. Das ist das „Ich denke“, das „Ich bin“ Descartes’, das „Bewusstsein meiner selbst, das all meine Vorstellungen begleiten muss“. Für Kant gibt es eine objektiv wahrnehmbare Welt, weil das Bewusstsein jedes Lebewesens eine universelle, im ganzen Kosmos allgemeingültige fundamentale Struktur (Form) besitzt (ob wir diese auch nutzen und wenn ja, wie, ist eine andere Frage). Das, was die „Dinge an sich“ sein mögen, können wir nicht wissen, denn unsere Wahrnehmung zeigt uns nur Erscheinungen, Phänomena. Die Philosophie nennt das in Bezug auf Kant die „Kopernikanische Wende“.

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Heliozentrisches Weltbild. Einzelblatt aus der Harmonia Macrocosmica von Andreas Cellarius, Amsterdam 1660

Oder mit Kants eigenen Worten:
„Es ist hiermit ebenso, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müßte, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen könne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen.“ (KdrV)

Das heißt, um die Welt wirklich in ihrem größeren Zusammenhang verstehen zu können, müssen wir lernen, sie von einem neuen Standpunkt aus zu betrachten, nämlich dem der transzendentalen Apperzeption, die im Zentrum des Subjektes liegt (gleich dem Kopernikus, der lehrte, die Bewegung der Planeten vom Standpunkt der Sonne aus zu betrachten).
Von diesem übergeordneten Standpunkt aus wird es möglich, nicht nur die Materie, die Welt der äußeren Sinne (mundus sensibilis, Außenwelt), sondern auch die Welt der Formen, die Welt des Geistes (mundus intelligibilis, Innenwelt) zu überschauen, zu erforschen und die höhere Einheit von Materie und Bewusstsein zu verstehen. Hier wird keine Vereinigung der Naturkräfte wie in der Physik angestrebt, sondern die von Materie und Bewusstsein.

So wie in der Zentralperspektive der Renaissance Gegenstände und Sehpunkt (Auge) durch Sehstrahlen verbunden sind und dadurch ein perspektivisches Abbild auf einer Projektionsfläche entsteht, sind bei Kant die „Dinge an sich“ und die transzendentale Apperzeption (das „cogito, ergo sum“ Descartes`) durch Perzeptionen (Wahrnehmungen) verschiedener Stufen verbunden, sodass in uns je nach Perspektive (Erkenntnisart) unterschiedlichste Vorstellungen entstehen.

Mit dem Sehpunkt (Standpunkt, Gesichtspunkt) einer Perspektive ist unmittelbar der sehr wichtige Begriff „Horizont“ (Gesichtskreis) verbunden. Kant nennt den „Horizont einer Perspektive“ das „Transzendentale einer Erkenntnis“, denn „Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, insofern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt.“ (KdrV)

 

Die perspektivische Konzeption der 
Transzendental-Philosophie im Detail

„Man kann einen jeden Begriff als einen Punkt ansehen, der, als der Standpunkt eines Zuschauers, seinen Horizont hat, d.i. eine Menge von Dingen, die aus demselben können vorgestellt und gleichsam überschaut werden. Innerhalb diesem Horizonte muß eine Menge von Punkten ins Unendliche angegeben werden können, deren jeder wiederum seinen engeren Gesichtskreis hat; d.i. jede Art enthält Unterarten, nach dem Prinzip der Spezifikation, und der logische Horizont besteht nur aus kleineren Horizonten (Unterarten), nicht aber aus Punkten, die keinen Umfang haben (Individuen). Aber zu verschiedenen Horizonten, d.i. Gattungen, die aus ebensoviel Begriffen bestimmt werden, läßt sich ein gemeinschaftlicher Horizont, daraus man sie insgesamt als aus einem Mittelpunkte überschaut, gezogen denken, welcher die höhere Gattung ist, bis endlich die höchste Gattung der allgemeine und wahre Horizont ist, der aus dem Standpunkte des höchsten Begriffs bestimmt wird, und alle Mannigfaltigkeit, als Gattungen, Arten und Unterarten, unter sich befaßt.“ (KdrV)

Dieser Textauszug aus der KdrV ist der Schlüssel zum Verständnis der gesamten Transzendental-Philosophie. Darin wird der seit der griechischen Antike für die Philosophie besonders wichtige Vorgang der Abstraktion beschrieben, und zwar in der Sprache der Perspektive. Abstraktion, das ist das Weglassen des Besonderen und Zufälligen und das Herausheben des Allgemeinen (Gemeinsamen, Wesentlichen) und Notwendigen.

Begriffsbäume (semantische Netze) als Zusammensetzung verschiedener Einzel-Perspektiven. Mittels Begriffsbäumen wird die hierarchische Vernetzung der Begriffe, die Unterscheidung von Ober- und Unterbegriffen dargestellt. Das Bewusstsein besitzt ebenfalls eine hierarchisch geordnete, perspektivische Struktur. Nur werden dort beim Aufstieg von den Sinnen bis zur Apperzeption wesentlich komplexere und fundamentalere Horizonte/Gesichtskreise überschritten als bei einem einfachen Begriffsbaum (Bild: Polaris Hörspiele)

Jeder Begriff hat als Gattungs-Begriff einen Umfang (=Horizont=Form), der seinen Inhalt (=Gegenstand=Materie), das sind die verschiedenen Arten und Unterarten, umschließt und sie als ein Gemeinsames in einer Synthese verbindet.

Ist ein Begriff für die in der Abstraktion darunterliegenden Begriffe Umfang, so ist er gleichzeitig vom Standpunkt eines über ihm liegenden Begriffes Inhalt. Z.B. ist der Art-Begriff für Unterarten-Begriffe die Form, und die Unterarten-Begriffe sind für den Art-Begriff Materie. Aus dem Standpunkt eines Gattungs-Begriffs aber ist der Art-Begriff die Materie und der Gattungs-Begriff die Form für den Art-Begriff.

Ob etwas Form (Horizont) oder Gegenstand (Materie) der Erkenntnis ist, hängt also von Standpunkt der Betrachtung ab!

Darum kann Kant sagen: „Der Verstand macht für die Vernunft ebenso einen Gegenstand aus, als die Sinnlichkeit für den Verstand. Die Einheit aller möglichen empirischen Verstandeshandlungen systematisch zu machen, ist ein Geschäft der Vernunft, sowie der Verstand das Mannigfaltige der Erscheinungen durch Begriffe verknüpft und unter empirische Gesetze bringt.“ (KdrV)

Als nächstes soll der strukturelle Aufbau des Subjektes übersichtsartig dargestellt und dann die einzelnen Punkte darin etwas näher ausgeführt werden.
Das Subjekt (gr. hypokeimenon, das Zugrundeliegende) ist pyramidenförmig aufgebaut. Den Boden dieser Bewusstseins-Pyramide bilden die Sinne und ihre Spitze ist die transzendentale Apperzeption. Die Stufen der Pyramide sind die einzelnen Erkenntnisarten mit ihren zugehörigen Horizonten, und sie werden durch fortschreitende Abstraktion von unten nach oben beschritten. Je nachdem von welcher Höhe, von welcher Stufe aus ein Bewusstsein die äußere und innere Welt betrachtet, ist alles „unter ihm“ Materie (der Erkenntnis), alles „über seinem Standpunkt“ Form (der Erkenntnis). Auf dem Weg nach oben werden verschiedene Horizonte überschritten. Dabei wird das, was zuvor Form (Bestimmung) war, in Materie (Bestimmtes) verwandelt, und diese in zunehmendem Maße durch das Vermögen der Synthese (bei Kant auch Synthesis genannt) der verschiedenen Erkenntnisarten zu höheren Einheiten zusammengefasst. So wird im Aufstieg aus der transzendentalen Raumzeit (als ein Horizont) die Materie der Schemata, aus dem transzendentalen Gedächtnis die Materie der Begriffe, aus der transzendentalen Logik die Materie der Prinzipien. Und ganz oben, auf der Spitze der Bewusstseins-Pyramide, wandelt sich die transzendentale Identität in eine Außen- und Innenwelt umfassende Materie der Erkenntnis und bildet zusammen mit der transzendentalen Apperzeption des „Ich bin“, eine höchste Einheit, die später Fichte als das „absolute Ich“, das „Ich bin Ich (die Welt)“ und Schelling als die „absolute Identität“ bezeichnen wird. Für Kant jedoch bleibt dieser höchste Punkt der Abstraktion auf Grund des reziproken Verhältnisses zwischen Umfang und Inhalt (je weiter der Umfang, umso geringer der Inhalt) und der seiner Meinung nach fehlenden intellektuellen Anschauung leer.


Zur Fortsetzung:   Horizonte 7 – Teil B   〉〉〉