Evolution (Takimo 4)

Früher glaubte man, das Universum sei unveränderlich; heute weiß man, dass es eine Entwicklungsgeschichte hat. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckte der Astronom Edwin Hubble, dass die Galaxien sich immer weiter voneinander entfernen: Das Universum dehnt sich ständig aus. Täglich erscheinen zwischen den Galaxien viele Milliarden Kubikkilometer neuen Raumes. Geht man umgekehrt, in der Zeit zurück, so kommen sich die Galaxien und die in ihnen enthaltene Materie immer näher, bis sie sich vor etwa 13,7 Milliarden Jahren in einem Punkt extremer Dichte und Temperatur vereinigen. Von einem einzigen Punkt ausgehend, nahm unser heute sichtbares Universum vor 13,7 Milliarden Jahren seinen Anfang.

Wendet man die bekannten physikalischen Gesetze auf den Urknall an, so ergibt sich, dass der Kosmos in den ersten Sekundenbruchteilen der Expansion eine Vielzahl von tief greifenden, extrem kurzlebigen Phasen durchlaufen haben muss.

Der Urknall, zeitlicher Ablauf (Zeichnung Cern)

 Phasen des Urknalls

Das Universum beginnt mit dem Urknall. Zum Zeitpunkt NULL versagen aber die bekannten physikalischen Gesetze. Die beschreibbare Geschichte des Universums beginnt erst 10-43 Sekunden nach dem Zeitpunkt NULL. (1) Die durch den Urknall verursachte Expansion lässt die Temperatur des Universums nach und nach sinken:

10-43 Sekunden (Planck-Zeit) nach dem Urknall: Zunächst konzentriert sich unser heute sichtbares Universum in einem extrem kleinen Raumgebiet von Planck-Länge (10-35 m), angefüllt mit unvorstellbar heißer und dichter Strahlung. Die Temperatur beträgt etwa 1032 Grad. (2)

10-36 Sekunden nach dem Urknall ist die Temperatur auf 1027 Grad gefallen, immer noch eine Welt mit ungeheuren Temperaturen und extremem Druck. Materie und Licht sind noch nicht getrennt: Quarks, Antiquarks und Photonen wandeln sich ineinander um.

1 Sekunde nach dem Urknall ist die Temperatur weiter auf 1010 Grad (10 Milliarden Grad) gefallen, und die Materie ist nach einer Reihe von Umwandlungsprozessen zu jenen Bausteinen kondensiert, aus denen sich unser Kosmos auch heute noch zusammensetzt: Elektronen, Protonen, Neutronen …

Nach 10 Sekunden: Bei Temperaturen unter 109 Grad (1 Milliarde Grad) wird das Universum zu einem gigantischen Kernreaktor. Protonen und Neutronen vereinigen sich durch Kernfusion zu ersten schweren Atomkernen.

Nach 1 Minute hat das Universum bereits einen Durchmesser von über 1015 km. In dieser Entwicklungsphase ist das gesamte Universum wie eine einzige riesige Sonne, die in ihrem Inneren durch Kernfusion immer mehr Atomkerne schwerer Elemente erbrütet. Durch die ständige Expansion hat aber bereits nach 5 Minuten die Dichte der Materie soweit abgenommen, dass dieser Prozess wieder zum Erliegen kommt. Es haben sich 25% Helium-, 0,001% Deuterium- sowie Spuren von Lithium- und Berylliumatomkernen gebildet. Die restlichen 75% bleiben Protonen, Wasserstoffatomkerne. (3) Das Universum kühlt sich weiter ab.

Nach 397 000 Jahren beträgt die Temperatur 3000 Grad. Bei diesem Wert können die Atomkerne und Elektronen sich zu Atomen verbinden. Die Elemente Wasserstoff und Helium entstehen. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Licht in ständiger Wechselwirkung mit den geladenen Atomkernen und Elektronen. Das Universum war daher undurchsichtig. Die Wechselwirkung von Licht mit neutralen Atomen ist nun jedoch sehr viel geringer, so dass Licht sich ungehindert ausbreiten kann. Das Universum wird durchsichtig. (4) Es beginnt das dunkle Zeitalter. Kein Stern erhellt das Universum. Gigantische Wolken aus Wasserstoff und Helium wirbeln durch das Weltall. Sichtbare Strukturen gibt es im jungen Universum nicht, und mit der Expansion wird es dunkler und kühler. Unter dem langsam stärker werdenden Einfluss der Schwerkraft beginnen sich diese Gaswolken lokal zu verdichten.

100 bis 250 Millionen Jahre nach dem Urknall entstehen so die ersten Sterne, die sich von unseren heutigen durch ihre enorme Masse, Leuchtkraft, Oberflächentemperatur und Lebensdauer erheblich unterscheiden. So beträgt ihre Masse das Hundert- bis Tausendfache, ihre Leuchtkraft das Millionenfache und ihre Oberflächentemperatur das Zwanzigfache unserer Sonne. Die Lebensdauer der ersten Sterne ist jedoch mit nur drei Millionen Jahren erheblich kürzer als die unserer Sonne mit 10 Milliarden Jahren. Diese erste Generation von Sternen enthält außer Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium noch keine chemischen Elemente. Erst im Laufe ihres Lebens produzieren die ersten Sterne die schweren Elemente in Ihrem Inneren. Schließlich werden durch ihr Sterben in Supernova-Explosionen (s. Lexikon Supernova) die schweren Elemente (wie z.B. Sauerstoff, Magnesium, Silizium, Calcium, Eisen, Cobalt, Nickel, Titan und Uran) in den Weltraum geschleudert.

1 Milliarde Jahre nach dem Urknall: Die ersten Galaxien entstehen. Ihre Gas- und Staubwolken enthalten jetzt genügend schwere Elemente, dass auch Sonnensysteme mit Planeten entstehen können.

9,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall kollabiert am Rande unserer Galaxis eine Wolke aus Gas und Staub, die auch Material aus Supernovaexplosionen enthält, und bildet unser Sonnensystem mit seinen Planeten.

13,7 Milliarden Jahre nach dem Urknall: Menschen denken über den Urknall nach.

Ein Blick ins Universum ist aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit immer auch ein Blick in die Vergangenheit (Zeichnung NASA und A. Feild) Übersetzung: billions = Milliarden Großbildansicht

Wird diese 13,7 Milliarden Jahre dauernde Geschichte des Universums auf ein Kalenderjahr zusammengezogen, dann ergibt sich folgende Zeittafel.

 

Das Universum im Zeitraffer

1. Januar 0.00 Uhr: Der Urknall.

1. Januar 0.15 Uhr: Das Universum hat sich nach 15 Minuten auf 3000 Grad abgekühlt. Bei diesem Wert können die Atomkerne und Elektronen sich zu Atomen verbinden. Wasserstoff und Helium entstehen. Das Universum wird durchsichtig.

5. Januar: 3 bis 7 Tage nach dem Urknall entstehen die ersten Sterne. Sie leuchten nur 2 Stunden lang, bevor sie als Supernova explodieren. Die nachfolgenden Sterngenerationen produzieren immer mehr schwere Elemente.

27. Januar: Die ersten Galaxien und Sonnensysteme mit Planeten entstehen.

2. September: Durch den Zusammensturz einer Gas- und Staubwolke am Rande unserer Galaxis, der Milchstraße, wird unser Sonnensystem geboren. Etwa 13 Tage benötigt unsere Erde um ihr Volumen durch Verklumpung und Kollision abzuschließen.

15. September: Der Planet Erde ist glühend heiß. Die schweren Elemente (wie z.B. Eisen und Nickel) sinken ins Innere und bilden den Erdkern. Durch heftige Vulkanausbrüche gelangen Gase, Wasserdampf und Staub aus dem Erdmantel an die Oberfläche. Die erste Atmosphäre aus Wasserdampf, Chlorwasserstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Stickstoff umhüllt die Erde.
Zu dieser Zeit rast ein riesiger Asteroid von der Größe des Mars auf die Erde zu, er taucht in die Atmosphäre ein und explodiert beim Aufprall auf die Erdoberfläche. Lavafontänen aus dem Einschlagskrater schießen ins All. Der Gesteinsstaub aus dieser Fontäne bildet einen Ring um unseren Planeten. Dieser verdichtetet sich zu immer größer werdenden Gesteinsbrocken, aus denen sich schließlich unser Erdtrabant, der Mond, entwickelt. Durch den Aufprall kippt die Rotationsachse um 23 Grad und beschert der Erde die Jahreszeiten. (s. Lexikon Monde)
Die Erde beginnt sich abzukühlen und bildet eine feste Kruste. Wasserdampf kann kondensieren. Die Uratmosphäre (noch ohne Sauerstoff) breitet sich aus. Es regnet, die ersten Urmeere sammeln sich.

24. September: Mit dem Auftauchen der ersten Zellen beginnt die biologische Evolution.

29. September: In den Urmeeren entsteht Leben. Die ersten Cyanobakterien leben frei im Wasser und produzieren Sauerstoff. Die Atmosphäre reichert sich allmählich mit Sauerstoff an.

18. Dezember: Die ersten Fische schwimmen in den Ozeanen.

19. Dezember: Die ersten Landpflanzen erobern das Festland.

20. Dezember: Früheste Lurche tauchen auf, die Besiedlung des Landes beginnt.

22. Dezember: Erste Reptilien.

25. Dezember: Erste Säugetiere.

28. Dezember: Flugechsen, Dinosaurier, Fischsaurier.

30. Dezember: Entfaltung der Blütenpflanzen, Säugetiere und Vögel.

(Zeichnung American Museum of Natural History, USA)

(Zeichnung American Museum of Natural History, USA)

31. Dezember 22.43 Uhr: 77 Minuten vor dem Ende des alten Jahres tauchen die ersten primitiven menschenähnlichen Wesen auf.

31. Dezember 23.45 Uhr: 15 Minuten vor Mitternacht wandert unser moderner Vorfahre, der Homo Sapiens, über die Erde.

4,6 Sekunden vor Mitternacht wird Jesus Christus geboren.

Und im Neuen Jahr? Im neuen Jahr wird unsere Sonne noch ungefähr für 4,5 Monate Brennstoff haben. (s. Lexikon Rote Riesen) Aber die Evolution des Universums geht natürlich weiter.


(1) Unterhalb der Planck-Einheiten verlieren die bekannten Gesetze der Physik ihre Gültigkeit. Bei Distanzen, kleiner als die Planck-Länge (10-35 m), und Zeiten, kürzer als die Planck-Zeit (10-43 s), verlieren Raum und Zeit ihre vertrauten Eigenschaften. 10-35 m = 0,00000000000000000000000000000000001 m.

(2) 1032 Grad = 100000000000000000000000000000000 Grad.

(3) In den ältesten Sternen, die heute im Kosmos noch beobachtet werden können, findet sich genau diese Zusammensetzung.

(4) Im Verlauf der weiteren Expansion nimmt die Wellenlänge des von der Materie abgekoppelten Lichtes zu. Dieses Licht ist heute noch in Form von Radiowellen messbar, die einer Temperatur von 2,73 K entsprechen (3-Kelvin-Strahlung). Diese so genannte Hintergrundstrahlung zeigt sich als Rauschen am Fernsehschirm. Wird der Fernseher auf einen nicht belegten Kanal eingestellt, dann ist das “Schneegestöber”, das man dort sieht, zu ungefähr einem Prozent das Echo des Urknalls.


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